Albert Massiczek
1916–2001

Schuld – Verantwortung – Umkehr

Mein Vater sprach oft davon, kein muti­ger Mensch gewe­sen zu sein – und in allen Unter­nehm­un­gen immer sehr vor­sich­tig. Nach­zu­lesen ist dies auch in seiner zwei­tei­li­gen Auto­bio­gra­phie: „Ich war Nazi“ und „Ich habe nur meine Pflicht erfüllt“.

Er­wäh­nen möch­te ich aber zwei sei­ner Äuße­run­gen, die seine Hal­tung zu den ent­setz­li­chen Ges­cheh­nis­sen ver­deut­li­chen: Mit Fried­rich Heer be­such­te er am Tag nach der Reichs­kris­tall­nacht die Oppen­heims, um nach­zu­sehen, ob ihnen etwas pas­siert sei. Er schreibt: „Ich schämte mich für die Zu­stän­de, an de­nen ich mich mit­schul­dig wusste.“

Als Amalie Oppen­heim als eine von wenigen Über­leben­den im Herbst 1945 aus There­sien­stadt nach Wien zu­rück­kehr­te – ihr Mann war dort an sei­ner un­be­han­del­ten Dia­be­tes ge­stor­ben – ging mein Vater zu ihr. Er schreibt: „Es ist nicht zu schil­dern, unter welchen Gefüh­len der Scham und Schuld ich ihr gegen­über­stand.“

Scham und Schuld haben meinen Vater durch sein Leben be­glei­tet. Er hat nie auf­ge­hört, sich schul­dig zu füh­len für das Leid, das über Mil­lio­nen von Men­schen ge­kom­men ist. Und er hat nicht auf­gehört, an dieses Leid zu er­in­nern und mög­lichst viele Men­schen da­von in Kennt­nis zu set­zen – auf dass es nie mehr so­weit kom­men möge.

Constantia Spühler


Aus aktuellem Anlass hier folgende

Richtigstellung:

Der Artikel „Wer ist eigentlich ein Nazi?“ im „profil“ vom 9. Mai 2008 (Autorin: Dr. Marianne Enigl) enthält das Wort „Schuss­ver­let­zung“. Dieses Wort wurde von politischen Gegnern gele­gent­lich irre­füh­rend ver­wen­det. Tat­sache ist, dass Albert Massi­czek im Krieg eine schwere Kopf­ver­let­zung hin­zu­neh­men hatte. Diese erfolgte aber nicht durch das Pro­jek­til einer Schuss­waffe, son­dern durch einen Granat­splitter. Dieser traf und zer­trüm­mer­te das rechte Joch­bein und zer­störte den darüber liegen­den Aug­apfel. Das Gehirn blieb jedoch aus­drück­lich unver­letzt (Quelle: A.M., „Ich habe nur meine Pflicht erfüllt“, S. 95 ff.).

C. S.

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