Brief von Dr. Amalie Oppenheim vom 24. 10. 1950
[Melbourne] 24. IX. 1950
Lieber Herr Dr.!
Warum ich Ihren Brief vom Vorjahr nicht beantwortet habe, ist schwer zu sagen, aber leicht zu verstehen: Es ist mir allzu schmerzlich, Verfügungen zu treffen, um diesen letzten Rest der Bibliothek meines gel. Mannes, an der er mit stolzer Liebe hing, „nutzbringend“ zu verwerten! So habe ich gezögert, und Sie haben mir dieses Zögern erleichtert, indem Sie mir in Ihrem Briefe einen Nachtrag der Liste (die 10 Bände, die bei Ihren Eltern waren) & einen ausführlichen, privaten „unbelasteten“ Brief in Aussicht stellten. So wartete ich & hatte immer den Vorwand für mein Nichtschreiben. Nun aber muß ich Ihnen antworten. Zunächst sollten Sie die Bücher, die Ihnen mein Mann schenkte, als Geschenk zu seinem Andenken behalten & seinen Namen in die Bücher schreiben. Die übrigen Bücher bitte ich Sie bestmöglich zu verkaufen. (Sie schrieben mir auch im Vorjahr, daß Ihr bekannter Antiquar Hinterberger Ihnen ein Kaufangebot mit Preisangabe machen werde, das Sie mir mitteilen wollten. Nicht zu verkaufen sind die Bücher über Kunst, bes. mit Illustrationen, für die meine Kinder großes Interesse haben & englische Bücher.
Vielleicht könnten Sie einige Kunstbücher aus dem Erlös der wissenschaftl. Werke kaufen und meinem Paket (in Carton & Ölpapier verpackt) hersenden. Die Adresse ist jetzt, nach (Übersiedlung): ℅ Doris Liffmann, Fl. 5112A, Westbury Street, St.Kilda, Melbourne.
Den nach Abzug der Spesen verbleibenden Rest des Erlöses bitte ich Sie, meiner Kusine Frau Bertha Rothberg, II. Franz Hochedlingerg. 5/9 zu geben. Sie wissen, dass ich ihr für alles, was sie mir in Theresienstadt & in Wien geleistet und gegeben hat, nicht bloß Dank schulde!
Ich würde das Geld auch hier gerne gebrauchen, aber das ist nicht möglich, so will ich wenigstens meine Schuld bezahlen, soweit das möglich ist.
Der Tod Dr. Seifferts, eines der besten Freunde meines gel. Mannes, hat mich tief erschüttert; sind seine Söhne schon berufstätig? – Wo ist Dr. Heer? Was macht er & wie geht es ihm? Hören Sie was von Dr. Fichtenau? Wo arbeiten Sie selbst?
Es freut mich, dass die Sache mit R. glatt & reibungslos geordnet ist, ich habe auf meine Briefe nach London & Amerika keine Antwort bekommen. Ihren Namen hatte ich nicht genannt.
Besten Dank für Ihre Mühe und herzliche Grüße an Sie & Ihre Lieben! Ihre alte
Dr. A. Oppenheim