Statement Dr. Stephan Zimmermann vom 25. 10. 1945
Dr. Stephan Zimmermann
Wien VIII., Josefstädterstrasse 21
Telephon A 25 3 84
Eidesstattliche Erklärung.
Ich kenne Herrn Dr. Albert Massiczek seit dem Mai 1944. Damals übernahm ich als Chefarzt die Leitung des Reserve-Lazarettes IX in Wien-Neuwaldegg, (Blinden-Sammellazarett) in dem Dr. Massiczek als Sanitäts-Unteroffizier Dienst machte. Dem Genannten war schon von meinem Vorgänger die unangenehme Aufgabe der „Geistigen Betreuung“ sowohl der Patienten, – durchwegs kriegsblinde Soldaten – als auch des gesamten Sanitätspersonals übertragen worden. Schon in den ersten Tagen hatte ich eine Aussprache mit Dr. Massiczek über die ihm obliegende Tätigkeit, die mich seine politische Einstellung klar erkennen ließ und mich dazu veranlaßte, ihm die geistige Betreuung weiterhin, d. h. bis Mitte März 1945, zu welcher Zeit ich der Leitung des Lazarettes über meinen Wunsch enthoben wurde, zu überlassen.
Die Aufgabe der geistigen Betreuung sollte natürlich vor allem sein immer wieder und in jeder Form nationalsozialistisches Gedankengut zu vermitteln. Ich habe in der folgenden Zeit oft das Geschick und den Mut Dr. Massiczeks bewundert, diesen eigentlichen Auftrag, trotzdem er unter scharfer Kontrolle des NS-Führungsoffiziers unserer Lazarettgruppe stand und von diesen oftmals deswegen zur Rede gestellt wurde, nicht auszuführen, ja geradezu ins Gegenteil zu verkehren.
Dr. Massiczek brachte in seinen Vorträgen und Ansprachen stets Themen aus Geschichte, Wirtschaft, Literatur und Kunst von allgemeinem Interesse zur Sprache und konnte dabei den von ihm Betreuten immer wieder Grundsätze der Menschlichkeit und Gerechtigkeit, Verständnis für gesamteuropäische Fragen und Liebe zur österreichischen Heimat vermitteln. Er hat damit und mit vielen Taten der Hilfe und echten Nächstenliebe unseren blinden Soldaten viel Gutes getan.
Ich selbst wurde schon nach kurzer Zeit mit Dr. Massiczek gut bekannt und hatte mehrmals in langen Gesprächen Gelegenheit, in ihm einen hochgebildeten, von den höchsten Idealen erfüllten Menschen kennen zu lernen, der zu den wenigen gehört, die, zu innerst überzeugt von christlicher Geisteshaltung und Weltanschauung, bereit sind, ihrer Überzeugung gemäß zu handeln und zu leben.
Wien, am 25. Oktober 1945. Dr. Stephan Zimmermann